Folge 2: J. K. Rowlings gemütlicher Widerstand gegen Verantwortung für Transfeindlichkeit [Transkription]

Wie tief geht J.K.Rowlings Täterinnenschaft? Im zweiten Teil der Doppelfolge zu Harry Potter und J.K.Rowlings widmet sich Tai (er/ihm, kein Pronomen) mit Gast Casjen (er/ihm, ig:@casjent) diesmal der Autorin der berühmten Buchreihe. Im ersten Teil ging es um die Verantwortung, die Fans und Konsumierende von Harry Potter haben, in dieser Folge dreht es sich um die Verantwortung der Autorin selber – gegenüber ihres Cissexismus. Wir können aber nicht von einer Verantwortung sprechen, die nicht existiert, aus diesem Grund dreht es sich um ihren Widerstand dagegen. Was ist dieser TERF-Begriff, wie transfeindlich ist J.K.Rowlings öffentlicher Lebenslauf und um was geht es eigentlich in diesem noch transfeindlicheren Essay „TERF wars“ (von turf wars = Revierkämpfe)… und wie schadet sie letztlich der trans* Community? Diskutiert, analysiert, aufgeklärt.

Folge 2 auf Anchor FM (kostenlos)

Erwähnungen:

  • Shadowhunters Reihe
  • Tensorate Reihe 

Ressourcen:

(deutsch)

(englisch)

E-Mail: safespaceistrelativ@outlook.de

Instagram: @safespaceistrelativ.podcast

Twitter: @relativsafe

Sounddesign by nik lock & mastered by Queer Ear Mastering.

Artdesign by Tai.

Unterstützt diesen Podcast mit dem Kauf eines Ko-Fi!

_____________

Tai: Ich geh schon eigentlich auf’s Frauen-Klo. Ich gehe ungern auf’s Klo, ich geh lieber in das Klo, was sauberer ist. 

Casjen: Ich will auch wieder auf’s Frauen-Klo gehen können. Ich hasse Männer-Klos, ey, ich hasse das so.

[peppige Hintergrundmusik beginnt]

Tai: Hallo und herzlich Willkommen zur 2. Folge von Safe Spaces ist relativ, dem intersektionellen Nerd-Podcast. Ich bin Tai, mein Pronomen ist er oder kein Pronomen, und diese Folge erscheint gerade noch rechtzeitig zu Pride Month. 

Ehrlich gesagt habe ich nicht sonderlich Lust auf Pride dieses Jahr. Wer sich noch erinnert, weiß, dass vor einem Jahr J.K. Rowlings cissexistische Twitter-Tirade losgegangen ist, was aber auch nicht das erste Mal war. Es war nur diesmal wirklich ein Dauerbrennerthema und das bringt uns zum Thema dieser Folge: J.K Rowling. 

In der 1. Folge haben wir bereits über ihr berühmtestes Werk, Harry Potter, geredet und wie gefährlich es ist, Werk von Autorin zu trennen. Im zweiten Teil, also in dieser Folge widmen wir uns der eigentlichen Kontroverse um diese Autorin. Beide Folgen gehören zwar zusammen, aber an sich lässt sich diese Folge auch hören, ohne die Erste zu kennen. 

[Hintergrundmusik stoppt]

Jedenfalls müssen wir  überhaupt nicht darüber reden, ob J.K. Rowling transfeindlich ist oder nicht, oder ob ihr neuestes Buch “Böses Blut” mit Privatdetektiv Cormoran Strike transfeindlich ist oder nicht. Das steht gar nicht zur Diskussion. Wir müssen über ihre Täterinnenschaft reden. 

Zugegeben war ich während der Aufnahme öfters genervt, weil wir über eine reiche weiße Frau und ihren noch weißeren Feminismus reden. Letzten Endes habe ich mich doch dazu entschieden, diese Folge zu machen, und J.K. Rowlings Argumente tatsächlich ernst zu nehmen, ihre Täterinnenschaft ernst zu nehmen, die uns trans* Menschen so betrifft. Zu weißen Feminismus aber empfehle ich euch daher die Folge vom Podcast “Feuer und Brot”, Karen – Witziges Meme und perfekte Komplizin des weißen Patriarchats. Und gleichermaßen war es coping Mechanismus J.K. Rowling einfach nicht ernst zu nehmen. Aber ja, es ist Zeit, über sie zu reden. Das mache ich nicht allein. Ich habe wieder bei mir als Gast Casjen

Casjen: Hallo, ich bin Casjen und mein Pronomen ist er. 

[Musiktrenner]

Tai: Wichtige Anmerkungen bevor es losgeht. Es geht unter anderem um Transmisogynie. Wir beide sind zwar trans*, aber wir sind keine trans Frauen oder Personen, die von Transmisogynie betroffen sind. Weitere sensible Inhalte dieser Folge sind Reproduzierung zu sexistischer Sprache, Pathologisierung und medizinische Behandlungen bei trans* Personen, Erwähnung von Konversionstherapie und Suizidalität bei speziell trans* Personen.

[Musiktrenner]

Tai: Wieso sollten wir uns mit J.K. Rowling auseinandersetzen? 

Casjen: Die Debatte um J.K. Rowling ist mega aktuell gerade und es geht auch immer weiter, die Saga um J.K. Rowling. Also ich rechne fest damit, dass das noch nicht vorbei ist. Harry Potter ist halt einfach ein Medium, das unsere Generation und auch die Generationen nach uns und auch unsere Elterngeneration so krass geprägt hat. Es ist so ein allumfassendes Medium, dass wir das nicht einfach ignorieren können. Ich glaube einfach, wer sich irgendwie im popkulturellen Raum bewegt, wurde irgendwann im Leben mal mit Harry Potter konfrontiert und ist dadurch auch mit J.K. Rowling konfrontiert worden und kommt nicht drum rum. 

Tai: Also wir müssen uns mit J.K. Rowling auseinandersetzen, weil sie sehr relevant ist in einer Debatte über trans*. J.K. Rowling hat ein Problem mit trans*. Wie tut sie das nach außen tragen?

Casjen: Was mir wiederholt auffällt, in sowohl ihren Tweets als auch in ihrem Essay, ist, dass sie sich wiederholt als so eine feministische Ikone oder Kämpferin sieht, glaube ich Sie sagt zum einen, dass die Erfahrungen von Frauen erased (englisch “ausgelöscht”) werden, wenn diese Kategorie sex (englisch “biologisches Geschlecht”) nicht real ist und dass macht dadurch den Unterschied zwischen “Frauen” und trans Frauen dadurch. Also sie sagt immer “Frauen”, aber sie meint trans Frauen nicht mit. Das finde ich immer sehr, sehr krass so.

Tai: Rein theoretisch meint sie auch Personen wie uns beide auch mit.

Casjen: Auf jeden Fall. Sie spricht in ihrem Essay explizit von zum Beispiel “jungen Mädchen, die transitionieren wollen” und meint Menschen wie uns. 

Was ich auch voll spannend fand: Sie bezieht sich immer darauf, dass sie so unfassbar viel Research (englisch “Recherche”) betrieben hätte, jahrelang, und sagt, es gibt diese Studien, die das belegen, aber es gibt nirgendwo Quellen dafür. Also für mich ist das so, wenn ich einen Essay lese ohne Quellen, dann nehme ich den eigentlich schon mal nicht ernst. 

Tai: Wir haben wir denn diese Periode wahrgenommen seit Pride Month letzten Jahres bis jetzt, in der ‘trans issues’ (englisch “trans* Angelegenheiten, trans* Probleme”) so ein konstantes Thema in den Medien waren?

Casjen: Ich bringe jetzt mal das leidige Thema auf den Tisch. Es gab ja noch ein anderes, sehr schlimmes Thema im letzten Jahr (giggelt). Du so: “Hä, welches Thema?”… und zwar: Corona hat uns ja alle irgendwie betroffen. Ich hatte das Gefühl, das hat für mich in meiner Bubble sehr die Medien dominiert, also die Mainstream-Medien dominiert das ganze Jahr über und tut es ja auch bis jetzt noch. Ich hatte das Gefühl, immer, egal wo ich hingehe, entweder krieg ich was über Corona mit oder ich bin dazu gezwungen, mich zu Harry Potter zu äußern, weil irgendwer wieder irgendwas unreflektiertes zu Harry Potter postet. Ich fand es sehr anstrengend, gar nicht mal entspannen zu können. Ich weiß, ich bin für viele Menschen in meinem Umfeld die einzige trans* Person, die sie kennen und dann ist es oft so gewesen, dass ich dann die erste Person war, zu der sie hingekommen sind mit sowas. “Ey guck mal, J.K. Rowling hat das und das gemacht”, “Was sagst du dazu?”, “Wie soll ich mich jetzt verhalten?”. Das ist ja nett gemeint, aber manchmal dachte ich mir auch, ich hab keinen Bock mehr. Ich will mich gerade nicht mehr äußern und ich will einfach nicht mehr. Aber ich hatte immer das Gefühl, ich kann mich nicht davon zurückziehen. Ich kann nicht aufhören. Es hört einfach nicht auf. 

[Musiktrenner]

Tai: Als das Thema J.K. Rowling zu Pride Month im letzten Jahr wieder aufkam, weil sie mal wieder irgendetwas transfeindliches getweetet hat, war ich eigentlich nur unglaublich genervt. Wieso jetzt, wieso erst jetzt checken es die Leute, dass J.K. Rowling transfeindlich ist. Natürlich ist es einfach, mir einzugestehen, dass ich als trans* Person mehr Ahnung über Transfeindlichkeit habe als cis Personen.

Ich habe also ziemlich schnell das Thema von mir gestoßen, weil ich nicht teilhaben wollte an dem Lernprozess vieler, insbesondere Harry Potter Fans, was denn jetzt Transfeindlichkeit beziehungsweise Cissexismus ist, und was das anhand vom Beispiel J.K. Rowling ist. 

Ich habe vor ein paar Jahren mitbekommen, dass J.K. Rowling transfeindlich sei, beziehungsweise transfeindliche Menschen unterstützt. Nach etwas Recherche konnte ich das für mich bestätigen. Jeder weitere Tweet von ihr war nur Bestätigung. Jede Reaktion von ihr, egal ob abwehrend oder frustriert, machte Sinn. Ja, die Leute müssen lernen, dass J.K. Rowling transfeindlich ist. Aber nein, ich muss dabei nicht zusehen. Es gibt einige Zugänge und zu Sexismus zu verstehen zum Beispiel. Du liest eine Biographie von Trans Inter und nicht geschlechtskonform Menschen oder du liest dir feministische Theorien durch oder du hast eben ein Medium wie Harry Potter und lernst du es anhand der Autorin selber? Wenn es eine sterbende Harry Potter Liebe braucht, damit einige Menschen ihre cis Privilegien reflektieren, begrüße ich das trotzdem. Auch wenn ich es nicht sehen möchte und du keine Urkunde dafür bekommst. Es ist trotzdem ganz nice. Und diese Podcastfolge ist auch ein Entgegenkommen dafür.

[Musiktrenner]

Als ich mit Casjen zusammen unsere Themen und Ziele für die Folge erarbeitet hatte, ist uns auch schnell klargeworden, wie viel von dem ganzen J.K. Rowling Diskurs in englischer Sprache stattfindet. Dadurch ist vieles im Deutschen nicht zugänglich. Um die vielen Dinge aus dem Diskurs einordnen zu können, folgt jetzt ein kleiner zeitlicher Abriss der Saga J.K. Rowling rund um ihre Transfeindlichkeit, damit wir uns dann genauer ihren Argumenten zuwenden können.

[Musiktrenner]

Wir wir in Folge 1 über Harry Potter bereits angesprochen haben, lassen sich transmisogyne Tropes in ihren Büchern finden, wie z.B. in Harry Potter und der Gefangene von Askaban (1999) oder in Harry Potter und der Feuerkelch (2000).

Casjen (Ausschnitt Folge 1): Dann hab ich gelesen im Buch wird sie beschrieben als eine Person mit einem großen eckigen Kiefer, dicken männlichen Händen, sehr bunter Kleidung und offensichtlichen Fake-Nägeln, Fake-Zähnen, Fake-Haaren und Fake-alles.

Tai: Auch ihre neue Krimibuch-Reihe über den Privat-Detektiv Cormoran Strike zeigte 2014 erstmals einen transweiblichen kriminellen Charakter namens Pippa Midgley. Der cismännliche Hauptcharakter überführt sie und ist selbst transmisogyn, indem er auf perverse Weise ihre maskulinen Körpereigenschaften wahrnimmt und auf den Status ihrer Genitalien hinweist in einem gewaltsamen Gefängniskontext. Ab circa 2018 folgen J.K. Rowlings selbst-genannten “like crimes” (englisch für “like-Verbrechen” auf sozialen Medien): Sie liked transmisogyne Tweets und zeigt sich solidarisch mit transfeindlichen cis Frauen. Eine cis Frau, mit der sie besonders viel Solidarität zeigt im Dezember 2019, war Maya Forstater mit dem Hashtag #IstandwithMaya (englisch “ich stehe Maya bei”). Maya Forstaters Arbeitsvertrag wurde aufgrund transfeindlicher Aussagen auf ihrem Twitter-Account nicht verlängert und sie ist damit vor Gericht gegangen. 

Tai: Das schöne aus diesem Urteil war: “Forstater ist absolutistisch in ihrer Weltansicht über Geschlecht und Kern von ihrem Glauben ist, dass sie eine Person nach dem Geschlecht benennt, das sie angebracht findet. Selbst wenn das deren Würde verletzt und/oder ein einschüchterndes, feindseliges, herabwürdigendes und demütigendes oder anstößiges Umfeld kreiert.” Ach, das ist ein schönes Urteil.

Tai & Casjen: (lachen)

Casjen: Ja… würde ich sagen, könnte man* auch auf J.K.Rowling anwenden, nicht wahr?

Tai: J.K. Rowling impliziert, dass trans* Menschen cis Frauen aus ihren Jobs zwingen und verharmlost die cissexistische Gewalt durch Forstater. Ab Juni 2020 intensiviert sich die Kontroverse um J.K. Rowling. Am 6. Juni verspottet sie den Begriff “Menschen, die menstruieren” auf Twitter, weil ihrer Meinung nach nur Frauen menstruieren.

Tai: Und das sind dann die Leute, die immer sagen “hä, aber warum sagen wir denn nicht Besamer oder Ejakulierende”

Casjen: (lacht)

Tai: Es muss in den Kontext passen! Welche Rechte verbindest du mit ejakulieren?! Du setzt dich ja dafür ein, dass Menstruations-Hygiene-Produkte zugänglich sind. Worin setzt du dich ein, was mit deinem Samen passiert? Dann hat sie sich über diesen Tweet echauffiert, weil laut ihr können ja nur Frauen menstruieren. 

Casjen: Ich finde an diesem original (englisch “original”) Tweet von ihr nochmal besonders wichtig herauszustellen, dass sie nicht nur gesagt hat, dass sie diese inklusive Sprache scheiße findet, sondern dass sie auch wirklich das komplett veralbert hat. Sie hat sich da nicht nur dagegen ausgesprochen, sondern das auch wirklich komplett diskreditiert.

Tai: Ihr kennt ja alle dieses Meme mit “pregnant” (englisch “schwanger”), dass du pregnant nicht aussprechen kannst. Pergnut. Pergenut. Prugnut.

Casjen: Ja.

Tai: Dasselbe hat sie mit “women” (englisch “Frauen”) gemacht.

Tai: Darauf folgt wieder ein riesiger Shitstorm und von ihr eine Reihe weiterer Tweets zu Geschlecht und trans* Themen.

Casjen: Sie sagt wiederholt Sachen wie “if sex isn’t real, there’s no same-sex attraction” (englisch “wenn biologisches Geschlecht nicht echt ist, gibt es keine gleichgeschlechtliche Anziehung”). Also sie wirft Transaktivist*innen vor, dass wir die Kategorie “sex”, also biologisches Geschlecht, komplett abschaffen wollen würden. Das ist halt ein komplettes Missinterpretieren dessen, was wir eigentlich anstreben zu tun. Das, was ich versuche, Menschen deutlich zu machen, ist, dass ich aufzeigen möchte, dass diese Kategorien “Mann” und “Frau” durch die Gesellschaft konstruiert und geprägt sind, aber real existent durch dieses System bedingt, in dem wir leben. 

[Geräusch]

Tai: Es ist an dieser Stelle super wichtig im Hinterkopf zu haben, dass sich J.K. Rowlings Tweets nichts 1:1 ins Deutsche übertragen lassen, da die englische und deutsche Sprache Geschlecht in anderen Dimensionen versteht. Wir würden “sex” als “biologisches Geschlecht” übersetzen, was aber nicht der Verbreitung dieses Worts in der englisches Sprache nahe kommt.

(Anmerkung: Eine alte Benutzung von Geschlecht im Deutschen ist ja auch, dass “Adelsgeschlecht”, was mit Abstammung zu tun hat.)

Tai: Ich hab jetzt für die englische Übersetzung und zukünftige Übersetzungen J.K. Rowlings Position als trans-exkludierende, vermeintliche Feministin berücksichtig und an die Sprache von deutschen trans-exkludierenden, vermeintlichen Feministinnen angepasst. Deshalb habe ich “sex” und “gender” als “Geschlecht” und “Geschlechtsidentität” übersetzt.

[Geräusch]

Tai: Zitat: “Wenn Geschlecht nicht echt ist, gibt es keine gleichgeschlechtliche Anziehung. Wenn Geschlecht nicht echt ist, wird die gelebte Realität von Frauen auf der ganzen Welt ausradiert. Ich kenne und liebe trans Menschen aber das Konzept von Geschlecht auszuradieren nimmt die Fähigkeit ihre Leben mit Bedeutung zu diskutieren. Es ist kein Hass die Wahrheit zu sagen.” An diesem Punkt möchte ich sagen, wenn es kein Hass ist, die Wahrheit zu sagen, dann ist “TERF” keine Hassrede.

Casjen: Ist richtig. Ja. 

Tai: Totschlagargument.

Casjen: Mic drop. 

Tai & Casjen: (lachen) 

Casjen: Genau. Jetzt noch ein Zitat von Heine hinterher, dann geht’s ab /ij (referiert auf Folge 1).

Tai & Casjen: (lachen)

Casjen: Nochmal zu dem Tweet, dass die Erfahrungen von Frauen erased (englisch “ausradiert”) werden: Sie macht halt immer, immer diese Differenz zwischen Frauen. Sie sagt “Frauen”, aber sie meint damit explizit cis Frauen. Das ist auch so eine unfassbare Gefahr an ihrer Rhetorik. Als wären trans Frauen keine Frauen. Was ja in ihrem Kopf auch stimmen mag, aber das ist unfassbar toxisch und gefährlich. Das erased die Realität von unfassbar vielen Frauen auf der Welt, nämlich von unfassbar vielen trans Frauen.

Tai: Vier Tage später veröffentlicht sie auf ihrer Homepage einen Essay darüber, wieso sie über Themen wie trans* und Geschlecht spricht. Diesen Essay behandeln wir ausführlicher im Mittelteil der Folge.

J.K. Rowling wird von sämtlichen Seiten als transfeindlich markiert und zieht Konsequenzen daraus. 

Tai: Wenn du J.K. Rowling als transfeindlich markiert hast, dann hat sie z.B. in einem Fall von einer britischen News-Seite für Schulkinder mit rechtlichen Schritten gedroht oder sie gibt einen Menschenrechtspreis zurück, weil die Vorsitzende dieser Foundation, die den Preis aushändigt, J.K. Rowling als transfeindlich markiert in einem offiziellen Statement.

Tai: Was es auch noch gab und in dieser zeitlichen Abfolge eine Bedeutung hat, ist der offene Brief gegen Cancel Culture, bei dem über 150 Prominente unterschrieben haben – u.A. J.K. Rowling. 

Im September bewirbt J.K. Rowling einen offensichtlichen anti-trans-Shop, der sich als radikal-feministischer Shop betitelt. Sie hat dort ein T-Shirt gekauft mit der Aufschrift “this witch doesn’t burn” (englisch “diese Hexe verbrennt nicht”). Das ist auch eine Anspielung auf die Bücherverbrennungen auf Tiktok. Darüber haben wir in Folge 1 gesprochen.

Casjen (Ausschnitt Folge 1): Ich habe nur dieses eine Tiktok gesehen, wo das passiert ist. Aber in diesem wurden nur Fakten genannt dazu, dass J.K. Rowling sich transfeindlich geäußert hat und dass die Leben von explizit trans Frauen wichtiger sind als die Liebe zu Harry Potter-Büchern. Es wurde zu keinem Zeitpunkt dazu aufgerufen, dass alle ihre Harry Potter-Bücher verbrennen sollen.

Tai: Im Endeffekt ist wichtig, dass auf ihrem T-Shirt nicht “verbrennt trans* Menschen” draufsteht. J.K. Rowling möchte gerne propagieren, dass sie trans* Menschen liebt. Funktioniert aber nicht. Sie ist Komplizin von anti-trans-Hass, den dieser Shop bestärkt.

Es wird bisschen ruhiger.

Im Dezember gibt sie ein Interview für Good Housekeeping und verlangt nach einem Ende des “Klima der Angst”, das durch trans Debatten ausgelöst wird, nachdem in den U.K. geurteilt wurde, dass Menschen unter 16 nur noch mit gerichtlicher Zustimmung Hormontherapie erhalten. An dieser Stelle ist wichtig zu markieren, wie unglaublich inter*feindlich das ganze ist und eine Doppelmoral sichtbar wird, wenn es um Hormontherapie bei jungen Menschen geht.

Letzlich wurde J.K. Rowlings transfeindlicher Essay von BBC für den Russel Prize nominiert, einem Sprach- und Journalismuspreis. Sie wurde dafür gewürdigt, dass sie “mutig Hass gegenüber tritt”.

[Geräusch]

Tai: Wir haben dieses Geräusch bereits erwähnt und J.K. Rowling zugeschrieben, nämlich das Wort “TERF”. Ihren Essay postete sie auf Twitter mit den simplen Worten “TERF wars” (von turf wars, englisch “Revierkämpfe”). Auch innerhalb des Essays geht sie auf den TERF-Begriff ein und schreibt, dass das ein Wort ist, das jeder Frau geläufig sein sollte. Also klären wir am besten gleich die Begriffsbenutzung.

[Geräusch]

Tai: Was bedeutet TERF?

Casjen:  Trans exclusive radical feminism (englisch “trans exkludierender radikaler Feminismus”).

Tai: In der Regel werden nur Frauen gemeint, aber dieser Begriff ist jetzt nicht nur exklusiv für Frauen. Es wird sehr viel in den Kontext gebracht, dass das ja Hassrede gegen Frauen sei. 

Casjen: (zustimmend)

Tai: Inwiefern ist das Hassrede gegen Frauen?

Casjen: Ich glaube, TERFs empfinden den Begriff als Hassrede gegen sich selber, als Beleidigung und als diskreditierend, weil er ihren super facettenreichen Feminismus auf ein Wort runterspricht (sarkastisch). Im Endeffekt ist das einfach nur das, was sie machen. Ich würde diesen Begriff tatsächlich kritisieren an dieser Stelle, weil da immer noch drinsteht, dass sie Feminist*innen sind – und das sind sie halt nicht ganz ehrlicher Weise. Ist halt einfach Bullshit.

Tai: Dieser Begriff lässt sich zurückführen auf Viv Smythe aus dem Jahr 2008, als der Begriff TERF auffindbar war im Netz. Viv Smythe ist eine cis Frau. J.K. Rowling sagt der Begriff TERF wurde geprägt von Transaktivist*innen. Würde nicht behaupten, dass Viv Smythe explizit Transaktivistin war. Sie ist eine Person, die erkannt hat, dass trans Frauen ihre Schwestern sind. Hier dreht J.K. Rowling eben Fakten um. Im Endeffekt wissen wir eigentlich nicht wirklich, wo dieser Begriff herkommt. Der lässt sich auf Viv Smythe zurückführen, aber sie selbst schreibt in einem Artikel von TheGuardian, dass sie diesen Begriff auch einfach nur übernommen hat. J.K. Rowling tut die Realität ausradieren, dass auch cis Frauen actually (englisch “tatsächlich”) auf der Seite von trans* Menschen sind.

Casjen: Das eine schließt das andere auch zu 0% aus. Irgendwo hört da mein Verständnis auch auf, wo Leute denken, dass das zwei so unterschiedliche Kämpfe sind. Also Frauenrechte und Transrechte. Das sind beides einfach marginalisierte Gruppierungen im patriarchalen System, in dem wir leben. Warum sollten diese Gruppierungen sich bekämpfen? Es geht hier nicht um einen Kuchen, wo Menschen sich gegenseitig Stück wegnehmen. Es geht hier darum, gemeinsam für eine bessere Grundlage zu kämpfen.

Tai: Das größte Problem der TERFs ist, dass sie sich selbst nicht als TERFs identifizieren, dass das eine Zuschreibung ist.

Casjen: Naja, gut-

Tai: Während das oft Personen sind, die anderen Sachen zuschreiben.

Casjen: Trans Frauen sehen sich auch nicht als Männer in Frauenkleidern. Also Pech, ne?

[Geräusch]

Tai: 

Zitat: “Ängste könne unbegründet oder unfair sein und trotzdem real wahrgenommen werden. Die Trigger von Menschen sind nicht politisch korrekt. Du kannst Menschen unterstützen, die getriggered sind, versuchen ihnen zu helfen, mit ihren Ängsten klarzukommen, aber das bedeutet nicht, dass die Trigger von Menschen als Basis von Politik verwendet werden sollten.” – Molly Fischer, Who did J.K.Rowling become? (englisch “zu wem wurde J.K. Rowling?”)

Der Artikel referiert vor allem auf die emotionale Geladenheit hinter radikalem Feminismus – etwas, das sich auch bei J.K. Rowling und ihrem Essay wiederfindet. J.K. Rowling hat in ihrem fast acht Seiten langen Essay “J.K. Rowling Writes about Her Reasons for Speaking out on Sex and Gender Issues” (englisch “J.K. Rowling schreibt über ihre Gründe, wieso sie über Geschlecht und Geschlechtsidentitätsthemen spricht”) ebenfalls davon gesprochen, ‘getriggert’ zu sein. Von der transmisogynen Idee in ihrem Kopf. Sie setzt das in Anführungszeichen und meint die umgangssprachliche Form. Aber eigentlich widerspricht sie sich, weil sie darauf erzählt, eine körperliche Reaktion zu haben, in der ihr Erinnerungen an ihr sexuelles Trauma wieder hochkommen. Womit sie wirklich einen Trauma-Trigger hat. Sie weckt mit ihrem Essay Gefühle und dieser ist grundsätzlich emotional geladen. Sie schreibt über ihre Gründe, wieso sie über trans* Themen spricht. Denn als nicht-betroffene cis Person ist das erstmal wichtig klarzustellen, dass sie dazu befähigt ist über diese Themen zu sprechen. 

J.K. Rowling ist besorgt. Jeder Grund, den sie bietet, kommt mit einer Sorge. Sie sorgt sich um Frauen, sie sorgt sich um Kinder und Erziehung, sie sorgt sich um Sicherheit, sie sorgt sich darüber, dass “plötzlich so viele Personen trans seien”, dabei meint sie ausschließlich transmännliche Personen. Sie sorgt sich darüber, dass besagt Personen detransitionieren. 

Das Wort concern (englisch “Sorge”) kommt in ihrem Essay 10x vor. Das wirklich besorgniserregende ist aber jegliche Fehleinsicht von irgendeiner Verantwortung und die Fehleinsicht von irgendeiner Täterinnenschaft. Es wird davon gesprochen, dass Transaktivismus Frauen verängstigt. Aber was löst wirklich Unbehagen aus? “Dass ich als im Patriarchat unterdrückte Person überhaupt problematisch sein kann?”

Casjen: Generell auch in diesem Essay nutzt sie ganz oft so eine Rhetorik oder markiert Begriffe ganz oft voll seltsam, z.B. wenn sie davon spricht, dass sie ‘transphobic’ Tweets gemacht hat-

[Soundmarker]

Tai (Edit): Wir haben diese Folge zu Jahresbeginn (2021) aufgenommen und seitdem unsere Ableismen in Sprachgebrauch reflektiert. Hört doch in Folge 1.5 “Ableismen anhand von Harry Potter” rein. In diesem Fall haben wir J.K. Rowling zitiert und ‘transphobic’ weiter reproduziert. In Englisch wären Alternativen ‘trans hate’ oder ‘transmisic’.

[Soundmarker]

Casjen: -setzt sie das ‘transphobic’ in Anführungszeichen und markiert das dadurch, als wäre es nicht so gewesen. So: ‘Jaja, ich war transfeindlich /s. War ich aber nicht lol’. Oder wie sie immer diese Täter*innen-Opfer-Umkehr macht. Sie liked etwas problematisches und stellt das dann so dar, als wär sie in der Situation das Opfer gewesen. Dabei hat sie eigentlich etwas problematisches getan. Das ist auch eine Sache, die sie innerhalb dieses Essays sehr sehr oft anwendet.

Tai: J.K. Rowling zeigt einen starken Widerstand dagegen, womöglich Täterin zu sein. Sie verharmlost Transfeindlichkeit. Stattdessen framed sie Transaktivismus als das Gefährliche und bietet Argument dafür, wieso. Ein paar davon wollen wir hier gleich aufgreifen.

[Soundmarker]

Tai: Sie schreibt “wenn du dysphorische Teenager nicht transitionieren lässt, bringen sie sich um”. Dann referiert sie einen Psychiater, der sagt, dass das nicht zusammenpasst mit stabilen Daten und Forschung und dass das nicht zu seinen Fällen passt.

Casjen: Es ist halt so ein um die Ecke denken, ne? Leute denken, ‘trans* Menschen oder junge trans* Menschen oder trans* Menschen generell bringen sich um, weil sie trans* sind. (Jammer-Geräusche) Es ist so schlimm, trans* zu sein’. Nein. Ist es nicht. Das ist nicht der Fall. Das ist nicht, wieso trans* Menschen sich umbringen. Trans* Menschen und gerade junge trans* Menschen, meiner Meinung nach, bringen sich um, weil sie nicht akzeptiert werden. Weil sie gemobbt werden, weil sie Probleme haben zu Hause, in der Schule, in ihrem Freund*innenkreis. Weil ihnen eine Transition verweigert wird. Weil sie diskreditiert und pathologisiert und diffamiert werden. Weil sie durch so schlimme Sachen durchgehen müssen. Weil sie Gewalt erfahren, psychische und physische. Deswegen passieren solche Dinge und nicht weil diese Menschen trans* sind.

Wenn ein Psychiater sagt, “das passt nicht zu meinen persönlichen Fällen”, okay, herzlichen Glückwunsch, Herr Müller /s. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass es zur Masse passt, dass das Realität ist, und es ist beweisbare Realität.

Tai: Das ist so ein Fall, wo du nicht sagen kannst, dass du so viele genderdysphorische Teenager hast und die da rauswachsen. ‘Dann gibt es vielleicht eine Person, die begeht Suizid, das ist nicht wichtig.’ Aber genau das ist das Problem. Da ist ein trans* Leben wichtig. Wie kannst du das relativieren und darauf runterbrechen, dass (wird lauter) du Angst davor hast, Leute drohen dir damit, dass sie Suizid begehen?!

Casjen: Das liegt nicht daran, dass sie dich manipulieren oder dass sie trans* sind. Nein. Das liegt an der Gesellschaft. Das liegt am cissexistischen, patriarchalen System, in dem wir leben und das wir ändern müssen. Ende.

[Soundmarker]

Tai: Das leidige Thema von inklusiver Sprache wie ‘Menstruierende’. Das sei ja frauenfeindlich, wenn du von Menstruierenden sprichst. Oder Personen mit Uterus.

Casjen: Also, ich habe da etwas vorbereitet. Ein befreundeter Autor von mir, hat zu diesem Tweet von J.K. Rowling einen kurzen Post geschrieben. Der Autor heißt Oliver Ernst, ist auch trans und hat geschrieben:

“Warum wir Menschen mit Gebärmutter statt Frauen sagen sollten, wenn wir über Themen wie Menstruation oder Schwangerschaft reden:

Grund 1: Es ist medizinisch korrekt. Jede Person, die schwanger werden kann, hat definitiv eine Gebärmutter. Jedoch kann umgekehrt nicht jede Frau schwanger werden und es ist nicht jede Person mit Gebärmutter eine Frau (trans*, nicht-binäre und intersexuelle Personen).

Grund 2: Es ärgert J.K. Rowling.”

Tai & Casjen: (lachen) 30:48

Tai: Wichtigster Grund /s.

Casjen: Den Ausdruck, “Menschen, die menstruieren”, zu nutzen, ist, wie Oliver Ernst schreibt, medizinisch korrekt, wenn man* auf eine bestimmte Personengruppe referiert. Aber dann zu sagen,  “nein, lass lieber Frauen sagen”, trifft zum einen eine transfeindliche Aussage, aber zum anderen eine Aussage über eine internalisierte Tabuisierung von diesem Thema. Das finde ich krass. Das ist im Endeffekt internalisiert misogyn. 

Tai: Das unterstreicht auch diese Narrative “ach, das ist Frauensache, das geht euch nichts an”. Wenn du das sprachlich sichtbar machst, raffst du das vielleicht auch als Person, die nicht menstruiert, was das ist. 

Casjen: Wenn wir Dinge auch einfach aussprechen. Das ist so wichtig, Dinge einfach auszusprechen, um sie zu enttabuisieren. Eine Person, die, wie du sagst, einen Sprachkreis bekommt für ihre ach-so-tolle Sprache /s, sollte meiner Meinung nach sich dafür einsetzen, dass bestimmte Begriffe oder bestimmte Dinge enttabuisiert werden durch die Benennung von Begrifflichkeiten, die unheimlich wichtig sind in feministischen Diskursen. Sie ist ja Feministin ihrer Ansicht nach (amüsiert). Diese feministische Enttabuisierung voranzutreiben sollte meiner Meinung nach auch ein Anliegen von ihr sein.

[Soundmarker]

Tai: Toiletten-Thema – wir lieben es /s.

 “Wenn du die Türen von Toiletten und Umkleiden jeder trans* Person öffnest, die sich als Frau sieht, öffnest du jedem Mann die Tür, der rein möchte.”

Casjen: Zum einen wieder diese typische Rhetorik von ihr “Männer, die meinen, Frauen zu sein”, schwierig, weil sie meint trans Frauen, und unfassbar transfeindlich wie immer. Und nein, es ist faktisch falsch. Wenn wir trans* Menschen erlauben, in die für sie vorgesehenen Toiletten und Umkleideräume zu gehen, dann sorgen wir nur dafür, dass diese Personen ihre Menschenrechte ausleben dürfen. Viele trans Frauen haben auch Angst, wenn sie auf die Frauentoilette gehen, und viele trans Männer haben auch Angst, wenn sie auf die Männertoilette gehen. Es ist einfach eine fucking scary situation (englisch “verdammt beängstigende Situation”) und es ist auch scary genug, ohne dass J. K. Rowling sich darüber auslässt. Genau das gleiche gilt für Umkleidekabinen, besonders für Menschen die keine Operationen hatten oder auch keine haben möchten und das gleiche gilt für Hormone. Wir brauchen keine TERF, die uns noch mehr diskreditiert, als das in solchen Situationen oft sowieso schon passiert. Ich hab da keine Worte für, wie jemand* denken kann, eine trans Frau schick ich auf’s Männerklo.

Tai: Vor allem wenn du trans Männer auf’s Frauenklo schickst, ne, Anzeige ist raus /hj. 

Casjen: Voll. Wirklich, das Ding ist, aus Reflex passiert mir das, dass ich manchmal, wenn ich mich in öffentlichen Räumen bewege, zur Tür vom Frauenklo gehe. Dann korrigiere ich mich in letzter Sekunde und gehe zum Männerklo. Aber tatsächlich bin ich ein, zwei Mal ins Frauenklo einfach reingelaufen und was dann für ein Aufstand passiert ist. Es tut mir auch wirklich leid, weil ich es verstehe und es absolut zu 100% nachvollziehen kann. Ich war ja auch schon eine weiblich gelesene Person in meinem Leben, die verstehen kann, dass man* Angst in dieser Situation hat vor Gewalt von cismännlichen Personen . Ich bin dann auch sofort wieder rausgegangen und hab mich entschuldigt 100, 1000 Mal und hab dann auch die Lokalität verlassen, weil mir das so unfassbar unangenehm war. Jetzt stell dir vor, ich wäre dazu gezwungen, dass immer machen zu müssen. Ich könnte dann in der Öffentlichkeit nicht mehr auf’s Klo gehen. Ich könnte mich dann nicht mehr im öffentlichen Raum bewegen.

Tai: Was im Endeffekt passiert: Weil du ein binäres Geschlecht hast, das akzeptiert ist von der Gesellschaft, hast du einen Schutzraum und bist damit unheimlich privilegiert. Trans* Menschen und nonbinäre Personen haben keinen Schutzraum in öffentlichen Toiletten. Außer sie sind sehr konform zu diesem binären Geschlechtssystem. 

Casjen: Wenn ich in die Öffentlichkeit gehe, wenn ich weiß, ich gehe mit meinen Freund*innen in ein Café oder ein Restaurant oder so, ziehe ich mich absichtlich männlich an. Also ich ziehe mir männlich codierte Kleidung an, weil ich weiß, ich muss bestimmt irgendwann mal auf’s Klo. Ich gucke nicht, auf was habe ich Bock, welches Outfit würde ich gerne tragen, worin fühle ich mich heute wohl – nein, ich ziehe mir aktiv männlich codierte Kleidung an, auch wenn ich mich darin nicht wohlfühle an dem Tag, auch wenn ich dieses Outfit überhaupt nicht fühle, auch wenn ich den ganzen Tag dasitze und mir denke “boah, scheiße, ich hab kein Bock auf das Outfit, ich fühle mich gerade hässlich” – ist egal. Ich hab einfach Angst auf die Toilette zu müssen. Ich hab vor diesen drei Minuten an diesem Tag solche Angst, dass ich es in Kauf nehme, mich den ganzen restlichen Tag scheiße in meiner Kleidung zu fühlen. 

Tai: Ich kann das auch voll nachvollziehen. Es gibt so Tage, wo ich wusste, ich muss mich weiblich codierter anziehen, weil mein Ausweis gesehen wird. Genauso wenn ich weiß, ich geh auf ein öffentliches Klo, muss ich Kleidung tragen, die ein bisschen weiblich codiert ist, falls ich auf’s Frauenklo gehe und ich gehe in der Regel schon eher auf’s Frauenklo. Ich geh ungern auf’s Klo (in der Öffentlichkeit), ich geh lieber in das Klo, was sauberer ist.

Casjen: Ich will auch wieder auf’s Frauenklo gehen können. Ich hasse Männer Klos so sehr. Ich hasse das so.

Tai: Alter. Wenn du dir aussuchen kannst, auf welches Klo du gehst, wieso möchtest du auf so eine Kabine im Männerklo gehen?

Casjen: Vor allem – im Männerklo ist immer nur so eine Kabine und die ist immer besetzt. Immer. Dann stehst du da und wartest bis diese Kabine frei wird. Was willst du auch machen? Gut. Dann stehst du da so. Und dann stehen irgendwelche cis Dudes um dich herum an diesen Pissoirs, weil das ist auch alles so eng auf eng, und irgendeiner, immer, jedes Mal, (verstellt die Stimme) ‘ey, hier ist noch frei’.

Tai: (lacht)

Casjen: Und du bist so ‘ja, danke, danke, mh, ne, danke’. Dann überlegst du dir, was sagst du jetzt? Sagst du jetzt, dass du keinen Penis hast oder sagst du, dass du aus einem anderen Grund die Kabine benutzen musst?

Tai: (lacht)

Casjen: Ach, Leude. Dann steh ich da immer und bin so ‘Mhm. Hab ich gesehen, danke.’ und er dann so (verstellt Stimme) ‘eh, ja, ok, dann halt nicht’.

Tai: (lacht)

Casjen: Das ist so unangenehm. Ich hasse Männerklos so sehr. Und es ist immer dreckig und widerlich so. Wäh.

Ich wurde auch schon einmal in einer Lokalität erst aus dem Frauenklo geschmissen – da hab ich noch nicht so lange Testo genommen, da bin ich immer noch auf’s Frauenklo und hab halt nicht geredet, (verlegen) das war immer noch ganz ok – weil irgendwer sich scheinbar belästigt gefühlt hat und einen Mitarbeiter aus der Lokalität gerufen hat. Dann wurde ich aus dem Klo entfernt.

Tai: (lacht) Entfernt?

Casjen: (lacht) Ich wurde aufgefordert von dem Mitarbeiter die Toilette zu verlassen. Dann hab ich das gemacht, kein Stress. Dann bin ich wieder zurück zu den Leuten und bin dann später aufs Männerklo. Ich hab eine sehr schwache Blase (lacht). Sorry! 

Ich war auf dem Männerklo und scheinbar hat sich dann wieder eine Person von mir belästigt gefühlt. Dann wurde derselbe Mitarbeiter geholt. Derselbe Mitarbeiter hat mich dann auch aufgefordert, das Männerklo zu verlassen. Okay, wo soll ich denn hingehen deiner Meinung nach? Soll ich nach draußen in den Busch oder so? /j

Tai: (lacht)

Casjen: Wirklich, soll ich an einen Baum pinkeln? Was ist los? /hj Weißt du, wie ich meine?

Tai: Dieselbe Person?

Casjen: Ja. Der gleiche Mitarbeiter hat mich aus beiden Toiletten rausgeschmissen. Ich dachte mir wirklich, was ist, wenn ich denn nochmal auf’s Klo muss?

[Soundmarker]

Tai: Ein Argument, worüber wir noch nicht gesprochen haben, ist ‘Trans-Sein ist ansteckend. Du kannst überzeugt werden, trans* zu sein.’

Casjen: Jetzt mal ganz ehrlich. Warum sollte das jemand* freiwillig machen? (unterdrücktes Lachen) Jetzt mal wirklich? Das ist ja nicht lustig. Das ist auch kein Hobby. Es ist ein unglaublich pathologisierender Weg. Ich denke trotzdem, einfach diese Rhetorik zu übernehmen zu sagen, jemand* kann davon überzeugt werden trans* zu sein oder jemand* kann sich damit anstecken oder was auch immer, finde ich sehr, sehr problematisch. 

Tai: Das tut auch bisschen kaschieren, dass wir einfach gesellschaftliche Probleme haben. ‘Ansteckung’ ist ein schlechter Begriff, aber es kommt von irgendwoher. Wir haben binäre Vorstellungen von Mann und Frau. Wenn du da konformst, hast du noch irgendwie ein bequemeres Leben.

Casjen: Ja.

Tai: Es ist einfach viel komplexer als zu sagen, du kannst Leute überzeugen, trans* zu sein, du kannst sie ‘anstecken’.

Casjen: Voll. 

Tai: Gleichzeitig… Wieso ist es ein Problem, dass Leute trans* werden? Das ist super cissexistisch einfach wieder. Ist doch schön, wenn Leute trans* sind.

Casjen: Ich sehe nichts negatives daran, trans* zu sein. Das ist für mich so ein unfassbar großer Teil meines Lebens und für mich so ein unfassbar großer Teil meiner Identität und dessen, was ich an mir liebe. Das einzig negative für mich daran ist, welche Steine mir quasi in den Weg gelegt werden durch das System, in dem wir leben, und durch die Gesellschaft und wie die Gesellschaft damit umgeht. Ich finde es halt viel bedeutsamer so eine Rhetorik sichtbar zu machen sowohl für trans* Menschen als auch für detrans Menschen als auch für Menschen, die sich in ihrer Jugend irgendwann mal fragen, bin ich vielleicht trans* oder bin ich vielleicht nicht trans* und dann feststellen, sie sind es nicht. Ich finde es für alle diese Personengruppen wichtiger, so eine Rhetorik sichtbar zu machen, als zu sagen, man* kann Leute davon überreden oder überzeugen trans* zu sein oder man* kann Leute damit anstecken oder was auch immer. 

[Musiktrenner]

Tai: Vielleicht ist es ganz wichtig zu sagen, dass J.K. Rowling einen wissenschaftlichen Begriff wie ‘cis’ nicht benutzt. Das ist ein wissenschaftlicher Begriff. Du kommst nicht drum herum. Der existiert. Und du lehnst diesen Begriff ab, weil ‘cis’ soll implizieren, dass eine Geschlechtsidentität existiert, aber du bist der Meinung, es existiert keine Geschlechtsidentität. Cis heißt auch, dass du dich mit dem zugeschriebenen biologischen Geschlecht identifizierst. Das ist auch eine Sphäre von Cis-Sein.

Casjen: Ich meine, die Anerkennung des Begriffs ‘cis’ oder die Benutzung des Begriffs ‘cis Frau’ in dem Falle zum Beispiel – also wenn ihr trans issues so unfassbar wichtig sind, wie sie sagt, dann würde es für sie ehrlicherweise einfach Sinn machen, diesen Begriff zu nutzen in Abgrenzung zu trans Frauen, also cis Frauen zu Nutzen anstatt Frauen, weil das einfach kein Sinn macht. Wenn man* Frauen sagt, dann meint man* alle Frauen der Welt. Wenn man* nur cis Frauen meint, was sie tut, wenn sie Frauen sagt, sollte sie das auch so benennen. 

Tai: Mir ist so ein bisschen seltsam aufgestoßen, dass sie Frau als politische und biologische Klasse beschrieben hat (lacht schwach).

Casjen: Mhm.

Tai: Das Wort ‘biologische Klasse’ hat mich nicht losgelassen. Ich hab nachgefragt bei Mai von Mais Podcast. An dieser Stelle kurzes Shoutout. Mai ist Biolog*in. Dann hab ich nachgefragt, was heißt eigentlich biologische Klasse, und Mai hat geantwortet:

“Der Begriff Klasse wird in der Biologie für evolutionäre Kategorien genutzt. Das hat nichts mit Geschlecht zu tun. Also Stamm, Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art sind alles evolutionäre, entwicklungsbiologische Begriffe.”

Macht mich jetzt nicht schlauer, aber im Endeffekt versucht J.K. Rowling diesen Begriff ‘biologische Klasse’ neu umzudichten, obwohl dieser Begriff existiert, aber nicht so existiert, wie sie ihn meint.

Casjen: Es ist vielleicht so ein… Kennst du das bei Antifa-Mackern?

Casjen & Tai: (giggeln)

Casjen: Die einfach so reden und du denkst dir, “du reihst einfach intelligente Begriffe aneinander, ich hab überhaupt kein Bock dir zuzuhören”? Vielleicht ist das auch sowas. Sie versucht irgendeinen intelligenten Begriff zu benutzen, von dem sie selber vielleicht gar nicht weiß, was er meint ehrlich gesagt. Weil er irgendwie intelligent klingt. Weil sie denkt, ist smart, biologische Klasse zu schreiben.

Tai: Ja. Gerade, wenn du sagst, “intelligent”, ne? Ihr Essay wird ja angepriesen, simples Englisch zu haben, und dass ihre Sprache einfach ist. Aber gleichzeitig tut sie hier und da ein paar “intelligentere” Begriffe reinschmeißen, die eigentlich einen richtig akademischen Hintergrund haben oder was ganz anderes sind, als sie meint. Dadurch, dass sie so einfache Sprache benutzt, tut sie uns manipulieren darin zu denken, ‘mit einem einfachen Vokabular macht dieser Begriff Sinn für mich’.

Casjen: Ich hab vorhin schon gesagt, dass sie sagt “Männer, die Frauenkleider tragen, holen sich den Gender-Führerschein und gehen dann auf’s Frauenklo” und das klingt gefährlich. Das ist halt manipulativ, weil das klingt gefährlich. Aber eigentlich geht es um trans Frauen, die ihr Menschenrecht zugesprochen bekommen, die für sie angemessene Toilette zu benutzen, um potentiell weniger Gewalterfahrungen in der Öffentlichkeit zu machen. Und das ist nicht gefährlich. 

Tai: In ihrem Essay versucht sie auch Gewalt zu thematisieren und Gewalt sprachlich aufzubauen. Gleich auf der ersten Seite schreibt sie, “sie hat ja nur irgendwas geliked, sie hat ja irgendwas gemacht, und plötzlich kamen dann die aggressiven Transaktivist*innen aus ihren Ecken gekrochen in Schwärmen und haben auf sozialen Medien sie wieder beleidigt”, sowas. Also sie macht irgendwas und dann erfährt sie Gewalt. 

Casjen: Und sie benutzt dann so keywords (englisch “Stichwörter”) wie harassment (englisch “Belästigung”) und abuse (englisch “Missbrauch”).

Tai: Genau. Es ist auf jeden Fall in deinem Bewusstsein. Du liest diesen Essay und Gewalt ist ein Thema. Ganz am Anfang schreibt sie ‘an issue surrounded by toxicity’ (englisch “toxische trans Angelegenheiten”). Sie schreibt zwar, sie liebt trans* Menschen, aber gleichzeitig tut sie trans* so viel negative Energie zuschreiben.

Casjen: Sie zieht auch diesen Vergleich, was das noch mal sehr unterstreicht, wie sie die trans issues sieht. Sie zieht den Vergleich und sagt trans activists (englisch “Transaktivist*innen) sind wie Trump und Incels, oder so. Sie vergleicht das erstmal mit trump, LOL, vielen Dank dafür /s, und mit Incels. Alter, ey… ok, gut.

Tai: Man* sieht, dass J.K. Rowling Ahnung von Sprache hat und sie benutzt diese Sprache zu ihren Zwecken. 

Casjen: Voll. Das muss man* wirklich dazu sagen: Sie weiß unfassbar genau, was sie da tut. Ich glaube auch, dass sie das die ganze Zeit über weiß, auch wenn sie irgendwas tweeted. Das ist unfassbar berechnend, was sie tut. Jeder Tweet ist eine unfassbare Berechnung in dieser ganzen Debatte. Ich glaube, jeden Satz in diesem Essay, hat sie sich sehr genau überlegt.

[Soundmarker]

Tai: Es klingt immer so komisch, wenn du ihr anprangern möchtest, dass sie irgendein Ziel verfolgt. Ihr Buch, das erschienen ist – das klingt so richtig berechnend eigentlich, dass ihr Buch genau in dem Moment erscheint, wo’s halt gerade passt.

Casjen: Voll. Ich hab auch viele Stimmen gehört, die gesagt haben, dass die ganze Sache davor mit dem Essay und den transfeindlichen Tweets etc. nur PR für das Buch war, damit sie sich halt wieder in den Mittelpunkt stellt. Dann hab ich aber auch viele Stimmen gehört, die gesagt haben, dass sie diese ganzen Thesen darüber aufstellt, dass trans Frauen nur Männer in Frauenkleidern seien, die Menschen schaden wollen, hat dafür aber keine Quellen, also schreibt sie sich selber eine. Ich halte beides für nicht so super realistisch, weil sie an diesem Buch lange gearbeitet haben muss. Das Buch hat 944 Seiten. Das musst dir mal ganz kurz auf der Zunge zergehen lassen. Das Buch hat neunhundert. Vierundvierzig. Seiten. Das ist einfach ein transfeindliches, 944 Seiten langes Buch. Das musst du erstmal machen, ne?

Zu dem Buch – sehr interessant fand ich: Ich habe viele Stimmen gelesen, die gesagt haben, das Buch ist gar nicht transfeindlich, es geht gar nicht um eine trans Frau, deswegen kann es gar nicht transfeindlich sein. Was sagst du dazu? 

Casjen & Tai: (giggeln)

Tai: Es ist trotzdem eine Karrikatur von einer trans Frau. Du kannst mir nicht sagen, dass für J.K. Rowling nicht dieses Bild existiert, ein Mann in Frauenkleidung kann ich nicht mit einer trans Frau verbinden.

Casjen: Es geht einfach darum, wenn wir darüber reden, oder wenn Menschen darüber reden, ob dieses Buch transfeindlich ist oder nicht, dass J.K. Rowling denkt, dass trans Frauen Männer seien, die sich verkleiden, die sich ein Kostüm anziehen als Frau, und die dann Menschen schaden, indem sie diese umbringen, wie das in dem Buch passiert.

Tai: Beziehungsweise nach J.K. Rowlings Verständnis ist das sozusagen die Vorstufe einer trans Frau. Sie erkennt diese nicht als trans Frauen an. Es gibt natürlich schon Männer, die Drag machen.

Casjen: Oder so einfach gerne Kleider tragen. Aber in dem Kontext in dem dieses Buch passiert ist, kann halt kein Mensch sagen, dass es da nicht um J.K. Rowlings Bild von trans Frauen geht.

Tai: Was bei ihrer Krimi-Reihe besonders auffällt, ist, dass auf dieser Krimi-Reihe gar nicht J.K. Rowling draufsteht, sondern was steht denn drauf?

Casjen: Es steht ein männlicher Name drauf tatsächlich, was auch an sich schon mal spannend ist. Es steht der Name drauf: Robert Galbraith. Das ist ein offenes Pseudonym, also alle wissen, dass sie unter diesem Pseudonym schreibt. Angeblich kommt dieses Pseudonym, laut ihr, von ihrem größten Vorbild und irgendeiner Fantasy-Figur, aber wenn man* sich ein bisschen informiert über diesen Namen, kommt man* darauf, dass es einen real existierenden Menschen gab namens Robert Galbraith Heath, der ein Psychiater war vor einiger Zeit und bekannt war als Vorreiter der Konversionstherapie. Wenn ich mir ein Pseudonym aussuche, dann google ich das halt mal. Also ganz ehrlich. Mit einer der ersten Sachen, auf die man* kommt, wenn man* diesen Namen mal bei Wikipedia eingibt oder so, ist dieser Typ. Die erste Zeile, die bei Wikipedia steht, ist, dass er Elektroschock-Therapie bei homosexuellen Menschen angewandt hat, um die zu ‘heilen’. Bei aller Liebe und bei allem Verständnis, das ich gerne aufbringen möchte für Menschen, die versuchen diesen Namen zu verteidigen – es kann mir wirklich kein Mensch erzählen, dass das Zufall ist, dass J.K. Rowling sich dieses Pseudonym ausgesucht hat. Wenn es jetzt ein Pseudonym wäre wie, keine Ahnung, John Miller oder so, vor mir auch, aber bei so einem Namen halt nicht, ehrlich gesagt.

Tai: Ich kann dir auf jeden Fall richtig beipflichten. Das ist kein Zufall, dass da eine Anspielung, eine Brücke zu Konversionstherapie existiert, selbst wenn J.K. Rowling es abgestritten hat. 2020 benutzt sie den Begriff Konversionstherapie und das im Zusammenhang mit trans* Menschen. Was J.K. Rowling damit sagt? Sie empfindet Transition als Konversionstherapie. Also nicht in der Hinsicht dass homosexuelle (cis) Menschen zu heterosexuellen (cis) Menschen konvertiert werden sollen… sagt man* das so? Sondern dass homosexuelle (cis) Menschen trans werden, damit sie heterosexuell werden. Das hat sie ganz offen auf ihrem Twitter geschrieben.

Casjen: Warte… Homosexuelle Menschen werden trans, damit sie heterosexuell-? 

Tai: Genau, das ist ihre Aussage.

Casjen: Wow. /s (lacht) Wow. Literally Wow. Ok. Gut! /s

Tai & Casjen: (lachen)

Tai:  Sie selbst schreibt, dass sie Zeugin wird von einer neuen Form Konversionstherapie für junge homosexuelle Menschen. Was sie auch dazu noch meint, ist, dass du lieber junge Menschen, wir sind sehr fragil laut ihr, an Hormontherapie und OPs abschiebst, also an (medizinische) Transition, als dich um deren Mental Health zu kümmern. 

Casjen: Da sind wir wieder bei ihrer Rhetorik, die so saugefährlich ist. Sie stellt sich dar wie eine Ärztin. Mal abgesehen davon, dass das ein scheiß Arzt war-

Tai: (lacht leise)

Casjen: -aber sie setzt sich gleich mit einer Person, die medizinisch, fachliches Wissen hat. Das hat sie halt nicht. J.K. Rowling ist keine Ärztin. J.K. Rowling ist Autorin, die vielleicht mal ein Buch gelesen hat über… Biologie? Äh, wobei ich das auch bezweifeln möchte, an dieser Stelle.

Tai (aus dem Off): Es gibt keine Ausrede, J.K. Rowling noch zu verteidigen. Selbst wenn sie ihr Pseudonym verteidigt, bleibt es bestehen, dass sie Transition als Konversionstherapie für Homosexuelle betrachtet. Sie bekräftigt die cishetero-Norm, indem sie quasi sagt, dass Menschen trans* sind, damit sie eine Transition von homosexuell zu heterosexuell machen. Das mag vielleicht eine nette pointierte Geschichte in ihrem Autorinnen-Kopf sein, aber tatsächlich gibt es einige trans* Personen, die nicht hetero sind – wie cis Menschen auch, übrigens.

[Soundmarker]

Tai: Um die J.K. Rowling Kontroverse und ihren Essay abzuschließen – es wird recht schnell klar, wer ihre Zielgruppe ist: Nämlich cis Frauen. Sie spricht z.B. davon, wie jede Frau wissen sollte, was der TERF-Begriff bedeutet, und dass ihr Frauen-Solidarität über politische Grenzen hinweg Hoffnung gibt. Gute Männer und gute trans* Menschen sind nur die, die sich ihrem Feminismus anschließen. Sie regt an zu politischer Aktivität, will aufstehen, sich nicht mehr unterkriegen lassen, “denn dort gibt es viele Frauen und Verbündete, denen du dich anschließen kannst”. Aber “sie ist auch nur eine von vielen”. Ihre Sorge als Frau ist es, nichts mehr aussprechen zu können, ohne gesilenced zu werden. 

Casjen: Ich glaube, dass ist auch generell das Ding an der heutigen Zeit, oder? Dass immer wieder und immer wieder, egal in welcher Debatte, dieses Argument fällt, “eh, man* darf heutzutage gar nichts mehr sagen”. Doch, the thing is (englisch “das Ding ist”), du darfst alles sagen. Du hast jegliche Plattform dafür deine komplette Scheiße im ganzen Internet auszubreiten auf Instagram, Twitter und sonst wo. Du musst nur damit rechnen, dass Konsequenzen kommen. Du musst Verantwortung dafür tragen, was du von dir gibst. Wenn du, sorry, transfeindlichen Bullshit von dir gibst, musst du halt damit leben, dass dann Menschen zu dir kommen und zu dir sagen, ey, du hast gerade transfeindlichen Bullshit von dir gegeben. Wenn du dann weiter machst, musst du auch damit leben, dass du eine TERF bist. Also sorry, not sorry actually (lacht auf). Ist halt so.

Tai: J.K. Rowling ist nicht in der Lage zuzugeben, dass sie transfeindlich ist. J.K. Rowling ist davon überzeugt, dass sie trans* Menschen liebt und dass sie denen was gutes möchte.

Casjen: Ja. Ich glaube, es ist an dieser Stelle nochmal ganz wichtig auch zu sagen: J.K. Rowling liebt keine trans* Menschen. Es ist einfach ein Fakt. J.K. Rowling mag nicht mal trans* Menschen. Also vielleicht kennt sie privat irgendwelche trans* Personen, mit denen sie befreundet ist, aber ganz generell lässt sich zu 100% die Aussage treffen, J.K. Rowling mag keine trans* Menschen. J.K. Rowling hasst trans* Menschen aus der Tiefe ihrer Seele. Das kann ich mit sämtlicher Überzeugung sagen, die ich habe.

Tai: Wenn J.K. Rowling trans* Menschen lieben würde, dann würde sie trans* Menschen nicht absprechen, dass sie trans* sind. Sie möchte selber entscheiden, wer trans* ist.

Casjen: Voll. In der ganzen Debatte, für mich persönlich, immer war, dass Leute gewillter sind, J.K. Rowling zuzuhören als trans* Menschen zuzuhören. Also dass cis Menschen bereiter sind die Meinung von J.K. Rowling zu hören, die sagt, “ich bin nicht transfeindlich”, als die Meinung von trans* Menschen zu hören, die sagen, “J.K. Rowling ist transfeindlich”. Was voll krass ist und voll das Unding ist irgendwie. Ich weiß nicht, ob das für irgendwen News ist, aber cis Menschen entscheiden nicht, was transfeindlich ist oder nicht.

Tai: J.K. Rowling wehrt sich gegen Vorwürfe, transfeindlich zu sein. Das Gefährlich ist, dass die Leute J.K. Rowling tatsächlich abkaufen, dass sie nichts gegen trans* Menschen hat. Ihr Widerstand stößt bei den Leuten natürlich so auf, als erfahre ihr Unrecht. Es ist ziemlich simpel und schwach sich zu wehren, “indem ich Sprache umdichte und sämtlichen trans* Menschen das Trans*Sein abspreche”. Ich sage, “du bist nicht trans* und ich mag dich nicht, also bin ich nicht transfeindlich, weil du in meinen Augen nicht trans* bist”. Das ist ziemlich einfach, oder? Und sehr gewaltvoll. J.K. Rowling ist Autorin und zeigt mal wieder, dass sie mit Sprache umgehen kann und diese so umdichtet, wie es in ihre cisheteronormative Welt passt. Ihre Aussage, dass sie sich mit trans* Menschen solidarisiert, wenn diese aufgrund ihrer Transidentität Gewalt erfahren, sind nur leere Worte, wenn sie viele von uns bewusst unsichtbar macht.

[Soundmarker]

Tai: Spannend ist immer zu gucken, welche Auswirkungen J.K. Rowling hat und welche Diskussionen sie losgetreten hat in der ganzen Welt. Zumindest in Deutschland beeinflusst sie auch indirekt unsere Politik.

[Soundmarker]

Tai: Wir haben in Deutschland dieses veraltete Transsexuellengesetz. Das ist von 1980. 

Casjen: Das Gesetz hatte gerade 40-jähriges, ne. An Silvester, glaube ich, oder am ersten Januar jetzt?

Tai: Die Grünen haben auf jeden Fall einen Entwurf zu einem Selbstbestimmungsgesetz gestartet, der dieses Transsexuellengesetz ersetzen soll. Dieses Transsexuellengesetz ist ja eigentlich unheimlich diskriminierend, aber Leute wie J.K. Rowling sind der Meinung – auch wenn das britische legale System etwas anders aussieht – dass das ein robustes System ist, durch das trans* Menschen durchgehen müssen… aus Selbstschutz. Also eigentlich meint sie ihren Schutz. Sie sagt, dass trans* Menschen dadurch geschützt werden, dass sie nicht eine falsche Entscheidung machen und dass sie sich ganz ganz sicher sind, dass sie trans* sind. 

Dann gab’s die gute Eva Engelken. Sie ist ein Basis-Mitglied bei den Grünen. Das ist eigentlich ein innerparteiliches Problem gewesen. Sie hat einen Gegenantrag zu diesem Selbstbestimmungsgesetz gestellt. Eva Engelken ist Juristin und Autorin und eine weiße cis Frau – nicht dass sie sich selbst als weiße cis Frau bezeichnen würde. Eigentlich wär der Gegenantrag damit gegessen, dass der mit 86,89% abgelehnt wurde. Ihr Hintergrund ist, dass sie erst durch J.K. Rowling dazu motiviert wurde, sich intensiver mit trans* auseinander zu setzen. Es fing ungefähr an im Pride Month, Juni 2020. Sie hat sich dazu geäußert, dass die Aggressivität, die J.K. Rowling erfahren hat, nicht von normaler Misogynie zu unterscheiden ist. Ich weiß jetzt nicht, was “normale” Misogynie ist, aber es ist auf jeden Fall nicht von Misogynie zu unterscheiden. Ihr wurde von einer anderen Grünen Mit-Frau unterstellt, transfeindlich zu sein. Das ist wieder der springende Punkt, wenn du Leuten sagst, dass sie transfeindlich sind: Ne, ich bin nicht transfeindlich. Ich entscheide das. “Das verneinte ich entschieden und begann mich intensiv in die Thematik einzuarbeiten.” Da haben wir diesen Salat, weil die Leute nicht mit Kritik klarkommen und denken, ‘ich muss jetzt auf eine Recherche-Tour gehen’. Danke /s.

Casjen: Ich sag das jetzt mal ganz offen – ich sag das sonst nicht so offen: Cis Menschen in der Regel verhalten sich irgendwann in ihrem Leben, und das relativ häufig doch, mal transfeindlich. Das ist oft gar nicht böse gemeint. Das liegt einfach an dem System, in dem wir leben. Aber wenn man* outgecalled wird, dann muss man* damit umgehen und nicht sagen, ‘ne, ich bin überhaupt nicht transfeindlich, geh mal weg’, sondern dann lebt man* damit und verbessert sich und gut ist.

Tai: Das beste an dieser ganzen Situation ist: Dieser Gegenantrag, den sie gestellt hatte, wurde im Oktober eingereicht. Sie hatte vier Monate, um sich mit diesem Thema auseinander zu setzen! Da ist sogar J.K. Rowling besser dran, die sich drei-vier intensive Jahre damit auseinandersetzt, was ich auch irgendwie pervers finde, dieses Interesse. Aber sie hat sich vier intensive Monate mit diesem Thema auseinander gesetzt und ist jetzt befugt, Politik zu betreiben mit diesem Thema, weil sie hat ja Ahnung /s.

Casjen: Voll gut, mit diesem Thema /s. Ich wünschte, es gäbe mehr trans* Personen in der Politik. Das ist genauso wie mit dem Journalismus. Bitte gebt uns einfach Plattform, Leute. Wenn es euch irgendwie möglich ist, macht das. Nehmt euch einfach mal selber zurück und sagt, ‘hier ist die trans* Person, die ich kenne, und hier ist mein Podest, geh dahin und sprich”. Das ist, wie es funktioniert, ein Ally zu sein. Sich selber zurückzunehmen und eine trans* Person nach vorne zu stellen.

Tai: Nachdem Eva Engelkens Antrag abgelehnt wurde, wurde sie richtig aggressiv. Ich muss das zitieren: 

“Als im Juni 2020 ein Tweet von JK Rowling den großen Twitter-Shitstorm gegen sie auslöste, begann ich zu ahnen, mit welcher Aggressivität die Trans-Taliban ihren Feldzug führten. Ein paar Monate später habe ich das Ganze im kleinen Stil selbst durchexerziert. Ich habe Sexismus, unverhüllte Frauenfeindlichkeit, Aggressivität und Herablassung und Drohungen erlebt. Absender waren und sind Mitglieder der (grünen) Trans*Community, Männer, schwule Männer und (grüne) Unterstützer*innen.”

Eva Engelken ist eine Person, die das Gender-Sternchen so gut wie nie benutzt. Sie benutzt das Binnen-I. Was ich ganz interessant finde am Thema Aggressivität: Anfang hat sie Transaktivist*innen geschrieben – manchmal mit *, manchmal mit Doppelpunkt, mit Binnen-I… jetzt nur noch generisches Maskulinum und das bewusst. Also will sie eine Aggressivität maskulin markieren. Das ist wieder dieser Punkt – weiße cis Frau, die dann einen Begriff wie Taliban verwendet – du könntest einfach sagen, die trans Faschos, aber dann suchst du dir explizit einen Begriff aus, der… (atmet) so geprägt ist.

Casjen: Voll. Ganz ehrlich, girl, geh halt von dieser scheiß Sprache weg. Wenn du meinst, dass es wirklich die trans* Community war, die dich so angegriffen hat, dann sprich von der trans* Community. Sie bezieht sich auch explizit auf J.K. Rowling. Sie hat mitbekommen, was bei ihr abging. Deswegen glaube ich schon, dass es sein kann, dass sie viel aus diesem Diskurs übernommen hat. Quasi, dass sie ‘von ihr gelernt hat’.

Tai: Sie beschreibt auch J.K. Rowling als großartige und vorbildliche Autorin. Also… vielleicht ist das ihr Vorbild.

Casjen: Hoffentlich nicht.

Tai: Was ich so krass finde – 4 Monate. J.K. Rowling hat diesen Effekt, jemanden so anzuzünden, dass in so kurzer Zeit du noch politisch wirst und dich irgendwo einbringst, wovon du nicht wirklich Ahnung hast.

[Musiktrenner]

Tai: Wie kannst du ein besserer Ally sein als cis Person?

Casjen: Generell find ich’s wichtig auf die Stimmen von trans* Personen zu hören und nicht auf die Stimmen von cis Personen in solchen Debatten, weil trans* Personen haben immer mehr zu sagen über trans* Themen und Transfeindlichkeit als cis Personen das jemals werden tun können. Wenn es irgendwie möglich ist, dann helft dabei, trans* Menschen eine Plattform zu geben, damit diese Stimmen auch gehört werden von der breiten Öffentlichkeit, weil die Personen, die in der Öffentlichkeit stehen aktuell und sich über solche Sachen auslassen können, sind irgendwie cis Menschen und das sind in der Regel weiße hetero cis Menschen.

[Soundmarker]

Tai: Ab diesem Zeitpunkt gibt es ein kleine Änderung in der Gesprächsqualität, da Casjen während der Aufnahme auf ein Computer-Mikrofon umsteigen musste.

[Soundmarker]

Tai: Gibt es für dich noch etwas, was du unbedingt loswerden musst? 

Casjen: Ich finde es wirklich, eigentlich schlimm ehrlich gesagt, dass wir überhaupt darüber diskutieren müssen, ob wir die Werke von einer wirklich offen transfeindlichen Autorin überhaupt noch unterstützen und ihr Erbe noch weiter wertschätzen und ob wir sie und ihre Werke nicht einfach komplett boykottieren, wie wir das bei anderen Autor*innen tun, die sich problematisch äußern. Ich war und bin auch in dieser ganzen Debatte immer sehr diplomatisch gewesen und sehr freundlich und höflich. Ich versuche immer sehr verständnisvoll zu sein und auf die Position von anderen Menschen einzugehen, aber eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mehr, mich damit auseinandersetzen zu müssen und mich mit den Positionen von cis Menschen in dieser ganzen Debatte auseinander setzen zu müssen und für deren Komfort zu sorgen, indem ich sage, ‘jaja, es ist in Ordnung Harry Potter weiter zu konsumieren’, weil ehrlich gesagt ist es das einfach nicht für mich.

[Soundmarker]

Tai: Die letzten zwei Folgen sind bereits ohne dieses Segment erschienen, da das eine eher eine Zusatzfolge und die andere der Vor-Teil zu dieser Folge war. Dementsprechend wirkt das neu, ist aber von Anfang an gedacht – zumeist das immer noch ein Nerd-Podcast ist. Hier ein Nerdtalk mit Empfehlungen unsererseits, diesmal zum Thema Bücher und Fantasy.

[Soundmarker]

Tai: Es gibt trans* Personen, die Bücher schreiben. Es gibt Personen, die gute trans* Repräsentation schreiben. An diesem Punkt wäre es echt naheliegend, sich nicht immer verteidigen zu müssen, wieso ich Harry Potter konsumiere oder ob ich Harry Potter konsumieren darf, sondern auch zu gucken: Was sind Alternativen?

Casjen: Ja, ich stimme dir auf jeden Fall zu, dass es nice ist, Bücher von z.B. trans* Autor*innen zu unterstützen oder Bücher zu unterstützen von Menschen, die nicht so viel Reichweite und nicht so eine große Plattform haben. Ich hab tatsächlich eine Buchreihe mitgebracht zum Vorstellen auf die beides nicht zutrifft (lacht leise), die ich aber für eine sehr gute Alternative zu Harry Potter halte. Man* munkelt, dass die Autorin ein bisschen auf die Narration von Harry Potter zurückgegriffen hat, um diese Buchreihe zu erstellen, weil ursprünglich war die Autorin eine Harry Potter-Fanfiction-Schreiberin. Dadurch ist sie Anfang der 2000er, glaube ich, im Harry Potter Fandom relativ bekannt geworden. Die Rede ist von Cassandra Clare und ihren Büchern. 

Vielleicht kennen einige die Serie Shadowhunters auf Netflix. Ich finde die Serie auch gar nicht gut. Tatsächlich habe ich die Serie sehr sehr oft geguckt. Ich weiß nicht, was daran mich so catched (englisch “packt”). Es gibt z.B. dieses eine gay couple (englisch “schwules Paar”) in der Serie. Das sind zwei hetero Typen, die die spielen meines Wissens nach. Die sind unheimlich heterosexuell miteinander in dieser Serie. Es ist ganz weird (englisch “seltsam”). 

Die Hauptbuch-Reihe kennen auch noch einige Leute aus ihrer Jugend – The Mortal Instruments heißt die. Die finde ich persönlich auch nicht so super nice, aber ich möchte tatsächlich dafür plädieren. Es gibt so unfassbar mehr in diesem Universum, in diesem Fandom. Cassandra Clare hat nämlich sehr viele Nebenbuch-Reihen geschrieben zu dieser Hauptbuch-Reihe in denen es sehr viel queere Charaktere gibt, z.B. eine trans Frau of color ist eine Hauptfigur in eine der Nebenbuch-Reihen. Das Universum von The Mortal Instruments ist quasi sehr queer, sehr divers, und einfach super lustig geschrieben. Das sage ich als Person, die eigentlich keine lustigen Bücher mag. Generell das Worldbuilding ist sehr ähnlich wie bei Harry Potter. Es ist Urban Fantasy. Es spielt in unserer Welt, hat aber Fantasy-Anteile. 

Cassandra Clare meines Wissens nach ist selber nicht queer, aber ist selber super nah an ihren Fans dran, was ich ziemlich cool finde. Sie hat selber einen tumblr Blog, wo sie relativ viel schreibt. Da schreibt sie selber auch super viel darüber, wie wichtig die Repräsentation von zum Beispiel queeren Menschen in Büchern ist und ihr auch wichtig ist zu zeigen, dass das etwas alltägliches sein kann, dass das okay ist, wenn das auch nur nebenher passiert. 

Es gibt die Hauptbuch-Reihe auf Spotify komplett als Hörbücher. Die sechs Bücher kann man* sich mal nebenbei anhören. Das ist dann ganz gut, weil es Vorwissen drin gibt, das man* halt braucht. Danach hab ich die Eldest Curses-Reihe gelesen und die ist wirklich einfach funny (englisch “lustig”). Die trägt wirklich, finde ich. Ist sehr queer und sehr cool. 

Wenn man* dem ganzen mal eine Chance gibt, glaube ich, kann man* da echt ein gutes Ersatz-Fandom finden. Mich hat das überzeugt, obwohl ich kein Fantasy eigentlich mag. Mich hat das so überzeugt, dass ich jetzt meine Master-Arbeit darüber schreibe, actually (englisch “tatsächlich”).

Tai: Wenn ich so zurückdenke… Ich selbst bin nicht nah dran an Bücher-Fandoms, aber wenn ich z.B. auf Conventions unterwegs war, sind mir die Shadowhunter Leute schon aufgefallen. 

Casjen: Ja, voll. Es gab einen Boom als die Serie rauskam. 

Tai: Auch wahrscheinlich wegen dieser Tattoos und edgy Kleidung…

Casjen: Voll.

Tai: Es passt ja voll gut. Aber ich glaube, ich habe diese Shadowhunters-Serien an einem Punkt in meinem Leben gesehen, wo ich keine Lust mehr hatte auf Teenie-Tropes. War mir ein bisschen zu edgy. 

Casjen: Ich versteh das voll. Ich weiß wirklich nicht, was mich so sehr abholt an dieser Serie. Ich kann die wirklich mitsprechen auf Deutsch und auf Englisch mittlerweile, easy. Ich hab das entdeckt mit 19. Zuerst die Serie und irgendwann die Bücher. Ich kann realistisch wirklich nicht sagen, was mich daran so unfassbar abholt, weil es auch wirklich keine gute, keine innovative Story ist. In den Büchern kann ich es tatsächlich sagen. Es sind einfach sehr gut geschriebene Figuren. Cassandra Clare versteht es einfach sehr sehr krass Figuren zu schreiben. Fantasy ist sehr oft mit Handlung sehr überladen. Es passiert was und fünf Seiten später wieder und fünf Seiten später wieder. In vielen Literatur-Theorien wird gesagt, wenn du die Figuren in einen Raum tun könntest, und sie würden 500 Seiten lang nur in diesem Raum sein und das Buch wäre trotzdem gut, dann sind die Figuren nice, dann tragen sie durch einen Roman. Das ist für mich das, was Cassandra Clare schafft: Sie schreibt so unfassbar gute Figuren bis auf die beiden ProtagonistInnen leider. Das ist so wirklich das, was mich so catched an dieser Buchreihe. Dass sie es wirklich einfach versteht, gute Figuren zu schreiben.

[Soundmarker]

Tai: Inhaltswarnungen für die Shadowhunters-Reihe: Tod, Krieg, Folter, Drogenkonsum, Abhängigkeit, emotionale Manipulation, Incest, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Entführung, Sexuelle Übergriffigkeit 

[Soundmarker]

Tai: Jetzt, wenn du sagst, Handlung an Handlung… Ich hab auch eine Empfehlung mitgebracht. Es ist eine Novelle-Reihe. Die Reihe wird als Tensorate-Reihe bezeichnet und wurde geschrieben von einem* nonbinary author (englisch “nicht-binäre Autor*in”) aus Singapur, von Neon Yang. Es ist vergleichbar mit High Fantasy, aber du hast nicht diesen europäischen Touch. Es baut auf ostasiatische und südostasiatische Mythologie auf und bedient sich an dieser Ästhetik, vor allem sehr viel Seide. Deswegen wird das dem Silkpunk Genre zugeschrieben. 

Wenn es um’s Schreiben geht – ja, ich find’s auch tricky. Es werden Handlungen aneinander gestellt. An dem Punkt möchte ich noch sagen, dass diese Reihe nicht ins Deutsche übersetzt worden ist. Ich glaube, wenn diese Reihe ins Deutsche übersetzt wird, ist kritisch, weil Geschlechtsneutralität ein Thema ist. 

Was ich toll finde, ist dieses Worldbuilding. Was mich an Fantasy-Reihen reizt, ist, wenn du Weltentwürfe hast, die nicht der Normalität entsprechen, die wir haben, dass du die Gelegenheit hast, einen Weltentwurf zu kreieren, wo es gar keine Heteronormativität gibt, wo es kein Zweigeschlechter-System gibt. Es ist z.B. normal, dass du nicht-monogam leben willst. Dann gibt es eine Art gender confirmation (englisch “Geschlechts-Konfirmation”): Du bestätigst dein Geschlecht in deinem Leben, d.h. alle sind geschlechtsneutral erzogen. Wenn du dich entscheidest, kannst du dein Geschlecht bestätigen. Was mich immer etwas irritiert hat, war die Frage: Fantasy ist ein zentrales Element – kann ich das übertragen auf meine Lebensrealität? Sie sind in der Lage auf eine Art Hormonblocker-Weise deine Entwicklung von gender marker (englisch “Geschlechtsmerkmale”) zurückzuhalten. Dann hab ich mich gefragt, ob so etwas wie trans* existiert? Ja, trans*-Sein existiert. Es wird nicht beschrieben als hormon replacement therapy (HRT), sondern als gender confirmation hormones (englisch “Geschlechts-bestätigende Hormone”). Du bekommst also die Hormone, die dein Geschlecht bestätigen. Das wär eigentlich ein cooler Ansatz, mit dem du das betrachten kannst. Was mich z.B. an der ersten Novelle gecatched (englisch “gepackt”) hat, ist dieser Moment, wenn du für dich feststellst ‘ok, das passt für mich vom Geschlecht her, das gibt mir Euphorie’. Es wird auch geschlechtseuphorisch dargestellt. Es wird nie ein Fokus auf Geschlechtsdysphorie gelegt. Das ist etwas, was ich sehr approven (englisch “dem zustimmen”) kann. 

Das schwierige ist: Es ist englisch. Englisch-only. Es ist ein sehr fancy Vokabular. Es ist nicht sehr zugänglich, wenn du mehr umgangssprachlich unterwegs bist. Das heißt, für mich war es eher schwieriger, das zu lesen. 

Ich bin gerade daran, die Buchreihe zu lesen bzw. Novelle-Reihe. Es hat für mich schon einen krassen Unterschied gemacht, mal ein Buch zu lesen mit einem Weltentwurf, den ich irgendwo unterstützen kann bzw. den ich erwägen kann. Gleichzeitig finde ich es interessant, andere Weltentwürfe zu sehen, wie die das mit Geschlecht handlen (englisch “handhaben”), um dieses Denken aufzubrechen, in unserem Zweigeschlechtersystem festzustecken und versuchen, dieses zu reformieren, und vielleicht dass mal von Grund auf all diese Weltlasten, die es dafür gibt, gar nicht existieren.

[Soundmarker]

Tai: Inhaltswarnungen für die Tensorate-Reihe: Tod, Krieg, Folter, emotionale Manipulation, Kindverlust, Trauma, Geschlechtsdysphorie, Misgendering, grafische Beschreibung von Gewalt, Tiermisshandlung, medizinische Experimente, Rassismus und Feindlichkeit gegenüber interracial Dating und mixed Kindern

[Soundmarker]

Casjen: Dazu kurzes Shoutout: Es gibt in der Science Fiction generell einiges zu nicht heteronormativen Geschlechtssystemen in verschiedenen Weltentwürfen von sehr coolen feministischen Autorinnen. Ich benutze mit Absicht das generische Femininum an dieser Stelle. 

Tai: (giggelt)

Casjen: Research (englisch “Recherche”) an dieser Stelle lohnt sich. 

Tai: Dann gibt es noch den Unterschied zwischen Weltentwurf und die authentische Erfahrung von solchen Personen. Dementsprechend ist es superwichtig, mal ein Buch zu lesen von diesen Personen, und nicht nur Non-Fiktion, sondern auch gerne Mal Fiktion, weil dann auch beschrieben wird, wie diese Personen sich fühlen, oder wie diese Personen Beziehungen haben. Wenn du mal Empathie zeigen möchtest, dann wär das gerade der richtige Punkt.

[Outro, ruhige Musik mit Meeresrauschen, spielt ein]

Tai: Dann kommen wir hier zu einem schönen Abschluss. Bitte konsumiert auch Content von trans* Personen.

Casjen: Ich fand’s schön mit dir zu sprechen. Es war jetzt das letzte Mal, glaube ich, dass ich mich zu diesem Thema geäußert habe.

Tai: Ich hoffe für dich, dass du dich nicht mehr äußern musst dazu.

Casjen: Ab jetzt werde ich allen Menschen einfach nur den Link zu dieser Folge schicken und dann ist gut.

Tai: Wenn ihr etwas durch diese Folge gelernt habt und ihr die Arbeit für den Podcast honorieren wollt, hinterlasst doch etwas Trinkgeld auf Ko-Fi oder unterstützt mich dort mit einem beliebig hohen Betrag. Folgt mir auf meinen Kanälen wie Instagram @ safespaceistrelativ.podcast und auf Twitter @ relativsafe. Sämtliche Verlinkungen findert ihr in der Folgenbeschreibung. Diese wird auch im Laufe den Monats noch ergänzt. Feedback schickt bitte via DM oder Email an safespaceistrelativ@outlook.de – ansonsten hören wir uns in der nächsten Folge Ende Juni. Bis dann!

Kommentar verfassen